Muskelschmerzen bei der Behandlung mit Cholesterinsenkern – Simvastatin, Fluvastatin, Pravastatin, Atorvastatin – Lassen sich diese Nebenwirkungen verhindern?

 

Muskelbeschwerden als Nebenwirkung einer Simvastatin-Behandlung

Werden Muskelprobleme beim Sport durch Statine verursacht?



In diesem Beitrag werden folgende Fragen beantwortet:

• Wie häufig sind Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder Muskelschäden als Nebenwirkungen einer Behandlung mit Statinen?
• Gibt es Unterschiede in der Häufigkeit von Nebenwirkungen unter den Statinen?
• Beeinträchtigen Cholesterinsenker, wie Simvastatin oder Lovastatin die Leistungsfähigkeit im Sport?
• Verursachen Statine einen Muskelkater oder Muskelschmerzen nach dem Training?
• Welche Möglichkeiten gibt es, den Nebenwirkungen „Muskelschmerz“ oder Muskelschwäche vorzubeugen?
• Vermindern Coenzym Q10 oder L-Carnitin die Statin-assoziierten Muskelbeschwerden?



Wie viele Menschen werden mit Cholesterin-senkenden Arzneimitteln behandelt?

Etwa 11 % der US-Bevölkerung nutzen Cholesterinsenkende Medikamente zur Behandlung von Hypercholesterinämie, bei den über 65-jährigen Amerikaner sind es sogar 44,5 %, die Statine zur Cholesterinsenkung nutzen.


Wie häufig sind Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder Muskelschäden als Nebenwirkungen einer Behandlung mit Statinen?

Derzeit wird geschätzt, dass 7 % bis 29 % der Statin-Anwender Statin-assoziierten Nebenwirkungen an der Muskulatur zu entwickeln.
Von diesen Patienten berichten 93 % über Muskelschmerzen, 88 % über Müdigkeit und 85 % gaben eine Muskelschwäche an.


Wie äußern sich Muskelbeschwerden bei der Anwendung von Statinen?

Myalgien sind definierte als Muskel-Beschwerden, die mit einem Gefühl von Schmerz, Muskelkater, Krämpfen oder diffusen Schmerzen mit oder ohne Anstieg der Creatinkinase (CK)-Werte verbunden sind. Unter einer Myopathie wird eine Muskelschwäche mit oder ohne CK-Wert-Erhöhung verstanden.


Führt die Anwendung von Statinen zur Einschränkung beim Sport?

Wenn regelmäßig ein körperliches Training begleitend zur Statin-Einnahme durchgeführt wird, haben die Patienten ein besonderes Nebenwirkungsrisiko. Muskelprobleme, eine verminderte sportliche Leistung und Müdigkeit gehören zu den am häufigsten auftretenden Problemen. Die Symptome, wie z.B. Muskelkrämpfe in der Nacht, treten dabei am häufigsten in proximalen Muskelgruppen auf, d.h. an den Oberarmen und der Oberschenkelmuskulatur.

Zu der Gruppe mit einem besonders hohen Risiko unter der Kombination aus Statin-Einnahme und Kraft- oder Ausdauertraining Muskel-Nebenwirkungen zu entwickeln, zählen ältere Menschen.

Mehrere Studien haben eine Muskelschädigung mit erhöhten CK-Werten nach der Belastung bei Patienten, die Statine erhalten, gemessen. Dabei führte z.B. Lovastatin zu deutlich höheren CK-Werten nach einer Laufband-Belastung. Eine Studie an Läufern beim Boston Marathon konnte eine signifikante Verstärkung der Muskelschädigung durch Statine anhand von erhöhten Gesamt-CK-Werten und CK-MB-Spiegeln 24 Stunden nach dem Rennen bei 37 mit Statinen behandelten Läufern im Vergleich zu 43 unbehandelten Marathonläufer nachweisen. In dieser Studie zeigte sich auch, dass ältere Sportler anfälliger waren für eine Statin-assoziierte Muskelschädigung.

Selbst wenn die Patienten keine Symptome einer Muskelschädigung wahrnehmen, kann es unter einer Statin-Therapie mit einem regelmäßigen körperlichen Training zu Muskelverletzungen kommen (erhöhte CK-Werte). Eine Studie zur Wirkung von Statinen auf die Muskelfunktion und die Leistungsfähigkeit konnte diese Befunde bestätigen. In dieser Doppelblindstudie (STOMP) erhielten die Patienten über 6 Monate 80 mg Atorvastatin oder Placebo. Am Ende der Studien waren die CK-Werte bei Patienten, die Atorvastatin erhielten, deutlich höher. Dieser Nachweis von Muskelschäden zeigte sich auch bei den asymptomatischen Personen.

Statin-assoziierte Symptome wie Müdigkeit wurden in einer weiteren Studie dokumentiert, in der 1.016 Patienten randomisiert täglich 20 mg Simvastatin, 40 mg Pravastatin oder Placebo für 6 Monate erhalten hatten. Die Patienten bewerteten ihren ''Energie-Level“ und ihre ''Müdigkeit bei Anstrengung'' am Ende des 6-monatigen Behandlungszeitraums. Im Ergebnis zeigte sich eine statistisch signifikante verminderte „Energie“ und eine erhöhte Müdigkeit bei Patienten unter der Statin-Medikation im Vergleich zu denen, die Placebo einnahmen. Die Wirkung war am auffälligsten bei Frauen und bei Patienten, die Simvastatin erhalten hatten.


Beeinträchtigen Cholesterinsenker, wie Simvastatin oder Lovastatin die Leistungsfähigkeit im Sport?

Einer der häufigsten Patientensorgen betrifft die mögliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit bei Sportlern unter Einnahme von Statinen. Es gibt wiederholt Hinweise, dass Statine mit einer Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit verbunden sind.

Beispielsweise zeigte sich in einer prospektiven Kohortenstudie mit 774 Teilnehmern im Alter von 50-79 Jahren eine signifikante Abnahme der Beinkraft in der mit Statinen behandelten Gruppe. Die Abnahme der Muskelkraft war nach Absetzen der Behandlung voll reversibel.


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Bedeutsam ist die Beobachtung in der PRIMO Studie, dass die Muskelbeschwerden besonders bei Personen auftraten, die sehr belastungsintensive Sportarten betrieben. In dieser Untersuchung traten bei 14 % der Patienten mit eher intensiven Training Muskel-Symptome auf im Vergleich zu 10,8 % bei Probanden, die weniger intensiv trainierten.


Welche Möglichkeiten gibt es, den Nebenwirkungen „Muskelschmerz“ oder Muskelschwäche vorzubeugen?

Die folgenden Maßnahmen können das Risiko für das Auftreten von Muskelbeschwerden unter Statin-Einnahme deutlich reduzieren:
• Anwendung der geringstmöglichen Dosis der Statine.
• Bevorzugte Verwendung von hydrophilen Statinen.
• Einlegen einer Therapiepause beim Auftreten von Beschwerden. Nach der Wiederaufnahme der Behandlung wird häufig eine deutliche Verminderung der Symptome beobachtet.
• Reduzierung der Trainingsintensität.
• Ausgleich eines bestehenden Vitamin-D-Mangels.
• Anwendung von Coenzym Q10 begleitend zur Statin-Therapie.
• Die Einnahme von L-Carnitin kann sich positiv auf die Muskelbeschwerden auswirken.


Gibt es Unterschiede zwischen den Statinen in der Häufigkeit von Nebenwirkungen?

Ein Wechsel auf ein anderes Statin kann häufig zu einer verbesserten Verträglichkeit führen. Studien haben gezeigt, dass hydrophile Statine weniger toxisch sind als lipophile Statine. Simvastatin und Lovastatin sind z.B. lipophile Substanzen, die eher zu einem Anstieg der CK-Werte und zu einer Myopathie führen als Pravastatin (hydrophiles Statin).

Hydrophile Statine: Provastatin, Rosuvastatin
Lipophile Statine: Simvastatin, Lovastatin, Atorvastatin, Fluvastatin, Pitavastatin

Interessant ist die Beobachtung aus einer Studie mit 6.579 Patienten. Patienten, die aufgrund von Nebenwirkungen eine Therapiepause eingelegt hatten und die Behandlung mit einem anderen Statin fortsetzten, tolerierten zu 90 % ein Jahr später die Statin-Therapie.


Vermindern Coenzym Q10 oder L-Carnitin die Statin-assoziierten Muskelbeschwerden?

Es ist bekannt, dass es unter Statin-Einnahme zu einer erniedrigten Serumkonzentration von Coenzym Q10 kommen kann. Coenzym Q10 kann daher als eine Behandlungsoption für Patienten mit Statin-assoziierter Myopathie angesehen werden, obwohl einige Studien und große Metaanalysen keinen Benefit für Coenzym Q10 nachweisen konnten.


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Der Ausgleich eines Coenzym-Q10-Defizits kann Studien zufolge das subjektive Gefühl von Müdigkeit verringern und die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern. Auch eine Verminderung von Muskelschäden, gemessen durch eine Abnahme der CK-Werte, konnte unter Coenzym-Q10-Einnahme nachgewiesen werden. Caso und Mitarbeiter konnten in ihrer Studie z.B. nachweisen, dass die Behandlung mit täglich 100 mg Coenzym Q10 die Muskelschmerzen nach einem Monat Therapie im Vergleich zu einer Vitamin-E-Einnahme um 40 % reduziert.

Bei Patienten mit Statin-assoziierter Muskelschwäche, Muskelschmerzen oder erhöhten CK-Werten konnte in Muskel-Biopsien ein reduzierter Coenzym-Q10-Spiegel nachgewiesen werden. Cooke und Mitarbeiter zeigten, dass eine Coenzym-Q10-Gabe sowohl die Serum- als auch die Muskel-Coenzym-Q10-Spiegel bei Sportlern und Nichtsportlern erhöht und damit die Leistungsfähigkeit im Maximaltest verbesserte. Bei älteren Athleten, die zu Muskelschäden neigten, konnte in einer doppelblinden, randomisierten, Crossover-Studie gezeigt werden, dass die tägliche Behandlung mit 200 mg Coenzym Q10 die sportspezifische Leistungsfähigkeit verbessert.

Dem gegenüber stehen Daten, die Coenzym Q10 keinen positiven Einfluss auf die Muskelbeschwerden bescheinigen. Auf Basis einer Metaanalyse aus dem Jahr 2015 kommen die Autoren zum Schluss, dass Coenzym Q10 die Statin-assoziierte Myopathie nicht verbessert .


Weitere Infos zur Wirkung von Coenzym Q10:


 

L-Carnitin

Eine weitere mögliche Behandlung von Statin-assoziierten Nebenwirkungen ist L-Carnitin. Carnitin ist für den Transport von Fettsäuren durch die Mitochondrienmembran und die Energieproduktion erforderlich. Tierexperimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass Statine den Carnitin-Spiegel verringern.

Werden die im Tiermodell erfolgreichen Dosierungen von L-Carnitin auf den Menschen umgerechnet, dann wären 2x täglich 6 g L-Carnitin zur Behandlung von Statin-assoziierten Muskelbeschwerden notwendig. Allerdings wurden bisher in den meisten Studien am Menschen nur Dosen von 3-6 g pro Tag angewandt. .


Weitere Beiträge zur Wirkung von L-Carnitin:

 

Vitamin D

Ein Vitamin D-Mangel ist weit verbreitet und könnte ebenfalls zu einem erhöhten Risiko von Statin-assoziierten Muskel-Nebenwirkungen beitragen.

Die Vitamin-D-Gabe bei Statin-Anwendern mit Vitamin-D-Mangel kann auch als eine wahrscheinlich erfolgreiche Behandlungsoption angesehen werden. Allerdings fand eine retrospektive Studie mit über 5.000 Patienten keinen Unterschied in Vitamin-D-Spiegeln zwischen Patienten mit Muskelschmerzen und solchen ohne Muskelbeschwerden. Andere Experten kommen zu dem Schluss, dass angesichts eines weit verbreiteten Vitamin-D-Mangels bei Patienten mit Statinen eine Normalisierung der Vitamin-D-Spiegel angestrebt werden sollte, um das Risiko von Statin-Nebenwirkungen zu minimieren.


Weitere Informationen zur Wirkung von Vitamin D: 



 

Fazit

Ärzte haben mehrere Therapieoptionen zur Behandlung der Statin-assoziierten Muskelbeschwerden bei Patienten, die regelmäßig Sport treiben. Dazu zählten die Einstellung der Statin-Therapie auf die niedrigst mögliche Dosis, die Verwendung von hydrophilen statt lipophilen Statinen und eine Therapie-Unterbrechung, gefolgt von einer Wiederaufnahme der Behandlung. Obwohl Studien keinen konsistenten Nutzen gezeigt haben, kann die Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln wie Coenzym Q10, Vitamin D oder L-Carnitin in Einzelfällen wirksam sein zur Verminderung von Muskelschmerzen und Muskelschwache unter einer cholesterin-senkenden Therapie mit Statinen.


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Literatur / Quellennachweis


Deichmann RE, Lavie CJ, Asher T, DiNicolantonio JJ, O'Keefe JH, Thompson PD. The Interaction Between Statins and Exercise: Mechanisms and Strategies to Counter the Musculoskeletal Side Effects of This Combination Therapy. Ochsner J. 2015 Winter;15(4):429-37.

 

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