Ginseng – Update zur Wirksamkeit


Ginseng – wirksam oder unwirksam?

Kann Ginseng das Gedächtnis verbessern?


Hintergrund

Obwohl sich die asiatische Medizin schon seit tausenden von Jahren mit Ginseng beschäftigt, hat die Verwendung von Ginseng als pflanzliches Medikament für eine Vielzahl von Erkrankungen erst in den letzten Jahren weltweit deutlich zugenommen. Ginseng gehört zur Gattung Panax, die aufgrund ihrer unterschiedlichen geographischen Herkunft in nordamerikanischen Ginseng (Panax quinquefolius) und asiatischer Ginseng (Panax Ginseng) unterteilt wird. Beide Sorten besitzen eine Fülle von pharmakologischen Eigenschaften, die auf den Gehalt verschiedener Ginsenoside zurückgeführt werden können.

Von den Herstellern wird Ginseng beworben als Stärkungsmittel, als Anti-Aging-Produkt, das die Konzentrationsfähigkeit ebenso wie die seelische und körperliche Belastbarkeit verbessern soll. Gerade für diese Anwendungen gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keine ausreichenden Belege.

Unter dem wissenschaftlichen Blickwinkel hat Ginseng jedoch das Potenzial zur unterstützenden Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen. Intensiv diskutiert wurde in den vergangenen Jahren die Anwendung von Ginseng zur Vorbeugung von Spätschäden beim Diabetes mellitus, zur Behandlung von Herzkreislauf-Erkrankungen, zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und zur Behandlung von chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen.

Darüber hinaus liegen Hinweise für eine Anti-Tumor-Wirkung vor. Auch in der Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Ginseng wurde in Studien geprüft.


Übersichtsarbeiten zur Wirksamkeit von Ginseng

Eine systematische Literatur-Analyse aus dem Jahre 2011 zielte darauf ab, die verfügbare Evidenz aus randomisierten klinischen Studien zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit von Ginseng zu bewerten (Lee et al. 2011). Insgesamt wurden 57 randomisierte klinische Studien in die Analyse einbezogen. Die wichtigsten in den Studien untersuchten Indikationen bezogen sich auf Störungen des Glukosestoffwechsels (Diabetes), die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit, sexuelle Dysfunktion, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen und zerebrovaskuläre Erkrankungen (Funktionsstörungen des Gehirns im Zusammenhang mit Krankheiten der Blutgefäße). Im Ergebnis fanden sich deutliche Hinweise für positive Wirkungen von Ginseng auf den Glukosestoffwechsel und bei Lungenerkrankungen. Hingegen zeigte sich, dass Ginseng zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht wirksam ist. Bei den übrigen untersuchten Anwendungsgebieten ergaben sich erste Hinweise für eine Wirksamkeit, es fanden sich aber zum Teil auch widersprüchliche Studienergebnisse (Lee et al. 2011).

Eine kürzlich veröffentlichte Übersichtsarbeit (Shergis et al. 2012) hat insgesamt 65 randomisierte, kontrollierte Studien zu den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten von Panax Ginseng analysiert. Diese Analyse bestätigt mit ihren Ergebnissen im wesentlichen vorausgehende Übersichtsarbeiten. Der positive Einfluss von Ginseng auf den Glukosestoffwechsel scheint nach Einschätzung der Autoren besonders vielversprechend. Demnach könnten insbesondere Diabetes-Patienten von einer Behandlung mit Ginseng profitieren. Auch die modulierende Wirkung auf das Immunsystem wurde hervorgehoben. Die bisherigen Studienergebnisse legen eine günstige Wirkung auf chronische Atemwegserkrankungen nahe. Zusammenfassend wir dieser Pflanze ein gutes Verträglichkeitsprofil bescheinigt. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet.

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Einfluss von Ginseng auf Gedächtnisleistungen

In einer Metaanalyse der Cochrane Collaboration (Cochrane Database Syst Rev. 2010) wurde die Wirksamkeit von Ginseng auf die geistige Leistungsfähigkeit bei ansonsten gesunden Personen untersucht. In dieser Analyse wurden neun Doppelblind-Studien berücksichtigt. Im Ergebnis konnten die Forscher Ginseng für einzelne Aspekte der kognitiven Funktion eine positive Wirkung bescheinigen. Auch seien das Verhalten und die Lebensqualität durch eine Ginseng-Gabe positiv beeinflusst worden. Trotzdem kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich die Wirksamkeit von Ginseng in Bezug auf die Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit unzureichend darstelle. Es gäbe einen Mangel an überzeugenden Daten, die eine Verbesserung kognitiver Fähigkeiten bei gesunden Personen unter der Einnahme von Ginseng nahelegen. Darüber hinaus fehlen qualitativ hochwertige Studiendaten zur Wirksamkeit von Ginseng bei Patienten mit Demenz-Erkrankungen.


Ginseng zur unterstützenden Behandlung bei Morbus Alzheimer

In einer Analyse der publizierten Literatur zur Wirksamkeit von Ginseng bei der Alzheimer-Krankheit konnten zu dieser Fragestellung nur zwei Untersuchungen identifiziert werden (Lee et al 2009). Ihre Ergebnisse dokumentieren zwar eine signifikante Wirkung zugunsten von Ginseng auf zwei anerkannte Messparameter (Mini-Mental-Status und Alzheimer Disease Assessment Scale), von den Autoren der Studie wurde jedoch kritisch angemerkt, dass beide Untersuchungen mit schwerwiegenden methodischen Mängeln behaftet waren.


Ginseng und Diabetes

Ginseng wurde in Studien bei Diabetes-Patienten mit zwei unterschiedlichen Zielsetzungen angewandt: Zum einen wurde geprüft, ob sich Blutzucker- und Insulin-Spiegel unter einer begleitenden Behandlung mit Ginseng günstig beeinflussen lassen und zum anderen wurde untersucht, ob sich langfristige Folgeschäden der Zuckerkrankheit an den Augen, am Herzen und an den Nieren durch eine Ginseng-Gabe verhindern lassen.


Wirksamkeit von Ginseng bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2

In einer Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit von Ginseng beim Diabetes wurden die Ergebnisse von vier randomisierten kontrollierten Studien zusammengefasst (Kim et al 2011). Demnach sind die Belege für die Wirksamkeit von Ginseng für eine verbesserte Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit einem Typ-2-Diabetes nicht überzeugend. In Bezug auf den Nüchtern-Blutzuckerspiegel zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Vergleich zur Placebo-Behandlung. Die wenigen eingeschlossenen Studien mit unterschiedlichen Behandlungsregimen lassen nach Einschätzung der Autoren jedoch keine endgültigen Schlüsse zu. Weitere methodisch überzeugende Studien sind notwendig, um die Auswirkungen von Ginseng auf die diabetische Stoffwechsellage zu klären.


Ginseng zur Vorbeugung vor Spätschäden des Diabetes mellitus

Möglicherweise hat Ginseng eine Schutzwirkung gegen die durch den Diabetes ausgelösten Organschäden. Erste tierexperimentelle Untersuchungen geben einen Hinweis, dass die durch den Diabetes induzierten Schäden an den Augen (Retinopathie) und am Herzen (Cardiomyopathie) durch Ginseng verhindert werden könnten (Sen et al. 2012). Als mögliche Wirkmechanismen werden die Hemmung von oxidativem Stress und eine antihyperglykämische Wirkung (blutzuckersenkende Wirkung) durch Ginseng diskutiert. Die gleiche Arbeitsgruppe veröffentlichte weitere Daten, wonach Ginseng möglicherweise auch die durch den Diabetes ausgelösten Spätschäden an der Niere (z.B. Albuminurie) verhindern könnte (Sen et al. 2012 b). Die Autoren schlussfolgerten, dass nordamerikanischer Ginseng eine vorbeugende Wirkung auf die diabetische Nephropathie haben könnte. Weitere Arbeitsgruppen konnten diese antidiabetische Wirkung von Ginseng bestätigen (Khan et al. 2012).

Link: Naturheilmittel beim Diabetes – Wirksam oder unwirksam?


Ginseng zur unterstützenden Therapie bei Tumorerkrankungen

Mehrere präklinische und klinische Studien geben Hinweise auf ein mögliches Anti-Tumor-Potenzial von Panax Ginseng. Die Anti-Tumor-Wirkung von Ginseng ist hauptsächlich auf die Gegenwart von Saponinen, die als Ginsenoside bekannt sind, zurückzuführen (Nag et al. 2012).


Ginseng zur Behandlung der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD)

Erste Untersuchungen zur Anwendung von Ginseng bei der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD) sprechen für einen möglichen positiven Einfluss von Ginseng auf die Lungenfunktion. In drei Untersuchungen zeigte sich unter Ginseng ein signifikanter Anstieg des FEV1 im Vergleich zur Placebogruppe (An X et al. 2011).


Ginseng zur unterstützenden Therapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ginseng werden eine Reihe von positiven Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System zugeschrieben. Verschiedene tierexperimentelle und In-vitro-Untersuchungen sprechen dafür, dass Ginseng kardioprotektive (herzschützende) und antihypertensive (blutdrucksenkende) Wirkungen aufweist. Auch eine Verminderung der myokardialen Hypertrophie und der Herzinsuffizienz wurden beschrieben (Karmazyn et al. 2011). Allerdings sind die Daten zur klinischen Wirksamkeit bisher nicht überzeugend. Wesentlicher Grund ist ein Mangel an methodisch überzeugenden, randomisierten, kontrollierten klinischen Studien. Bevor Empfehlungen zur Anwendung von Ginseng bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen gegeben werden können, sind weitere Untersuchungen zum Nachweis der klinischen Wirksamkeit, insbesondere als Begleittherapie zu etablierten Herz-Kreislauf-Medikamenten notwendig.


Ginseng zur Behandlung der erektilen Dysfunktion

Eine weitere Übersichtsarbeit bewertete die aktuelle Evidenz für die Wirksamkeit von Ginseng zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Jang et al 2008). In diese Analyse wurden insgesamt sieben randomisierte, kontrollierte Studien eingeschlossen. Zusammengenommen deuten die kontrollierten Studien auf eine mögliche Wirksamkeit von Ginseng in der Behandlung der erektilen Dysfunktion hin. Subgruppenanalysen zeigten zudem positive Effekte von Ginseng auf die psychogenen Aspekte der erektilen Dysfunktion. Allerdings ist die Zahl der in die Analyse einbezogenen Studien und deren methodische Qualität zu gering, um endgültige Schlüsse zu ziehen. Die Durchführung weiterer qualitativ hochwertiger Studien in der Indikation erektile Dysfunktion wird daher empfohlen.


Ginseng bei depressiver Verstimmung:

Naturheilmittel zur Behandlung der Depression

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Literatur:


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Sen S, Chen S, Feng B, Wu Y, Lui E, Chakrabarti S. Preventive effects of North American ginseng (Panax quinquefolium) on diabetic nephropathy. Phytomedicine. 2012 Apr 15;19(6):494-505. Epub 2012 Feb 10.

Khan V, Najmi AK, Akhtar M, Aqil M, Mujeeb M, Pillai KK. A pharmacological appraisal of medicinal plants with antidiabetic potential. J Pharm Bioallied Sci. 2012 Jan;4(1):27-42.

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